17.11.2018 Studienkonferenz – Ezra Pound Research Center: Ezra Pound, ein Intellektueller unter Intellektuellen

Plakat der Tagung

“Whose world, or mine or theirs – or is it of none” (Canto LXXXI)

Ezra Pound Forschungsstelle, 17. November 2018

Ezra Pound, ein intellektueller unter intellektuellen’ lautet der Titel des internationalen Seminars, das am Samstag, den 17. November ab 10.00 Uhr an der Akademie deutsch-italienischer Studien Meran, Innerhoferstraße 1, stattfindet wird. Bei der von der Ezra Pound Forschungsstelle unter der wissenschaftlichen Leitung von Roberta Capelli (Universität Trient) und Ralf Lüfter (Universität Bozen) organisierten Veranstaltung handelt es sich um das zweite Treffen nach der Tagung „Pound lettore di Dante“ im Jahr 2016.

Den Anlass für das Thema dieser Ausgabe bietet ein Ereignis aus Pounds Biographie: Vor 60 Jahren, 1958, kehrte Ezra Pound, der von der Irrenanstalt Washington, wo er 1946 eingesperrt worden war, nachdem man ihm wegen seiner antiamerikanischen Radiogespräche des Hochverrats beschuldigt hatte, mit der Familie seiner Tochter Mary de Rachewiltz auf die Brunnenburg. Seine Figur eines engagierten Intellektuellen und Künstlers, eines modernen Schulenbegründers, Dichters, genialen Essayisten und Förderers anderer Talente (wie z.B. von T.S. Eliot), umstrittenen Ökonomen und aufgestellten Idealisten hat immer den Aufbau eines sehr breit gefächerten Netzes kultureller und menschlicher Beziehungen begünstigt. Dies bezeugt auch die Vielzahl an Briefen, die er seinen Verwandten, Freunden, Kollegen gesendet hat sowie jene Briefe, die auch ohne ihn über ihn sprechen. „Ich habe Sie nur um mit Ihnen über Ezra Pound zu sprechen persönlich kennengelernt, erinnern Sie sich? Ein sympathischer Vorfall“, schreibt Vanni Scheiwiller, der am wenigsten traditionelle Herausgeber einiger der umstrittensten Werke Pounds, in einem unveröffentlichten Brief vom 21. Jänner 1956 an Giuseppe Ungaretti. Mit diesem Brief wird Carlo Pulsoni, Professor an der Universität Perugia, die Arbeiten des Meraner Studientages unter der Koordination von Stefano Maria Casella eröffnen, um die Hintergründe der italienischen Petition für die Freilassung Pounds zu rekonstruieren. Durch James Joyce entstand hingegen der lange Dialog – den Maurizio Pasquero mit archäologischem Geschick nachgebaut hat – zwischen Pound und dem Schriftsteller Carlo Linati, dem „Lombard friend“, der im Pamphlet ‚Jefferson and/or Mussolini’ (1935) genannt wird und mit dem er Fahrten nach Mailand sowie nie realisierte literarische Projekte teilte (darunter eine vierhändige Sammlung von Texten anglo-amerikanischer Autoren). An diesen erinnert sich Pound in einem Brief, den er Linatis Witwe aus dem St. Elizabeths, durch „das Vergnügen, sich gegenseitig nicht zu vertragen“. Die Briefsammlungen Pounds beinhalten noch heute viele Materialien aus erster Hand, wie z.B. jene, welche Manlio Della Marca (Ludwigs-Maximilian-Universität München) gesammelt hat, um zwei ganz und gar nicht selbstverständliche Persönlichkeiten der poundschen „Galaxie“ miteinander zu verbinden: Eva Hesse, die bekannteste Übersetzerin von Pounds Werken ins Deutsche, und Marshall McLuhan, der prophetische Medientheoretiker. Schließlich erwiesen sich viele von Pounds Intuitionen bei allen Widersprüchen als Vorreiterinnen und wurden erst spät verstanden. Eine späte Anerkennung kam beispielsweise von Pier Paolo Pasolini, besiegelt in einem bekannten TV-Interview aus dem Jahr 1967, das der junge Forscher Sean Mark als Wendepunkt für den eigenen Vergleich zwischen diesen beiden unterschiedlichen und umstrittenen Intellektuellen, die aber durch die gleiche Vorstellung des Dichters als öffentliche, mit der Aktualität und der Welt verbundene Persönlichkeit, auch mit tragischem, wie in Pasolinis Fall, oder katastrophalem Ausgang, wie in Pounds Fall, miteinander verbunden sind. Der letzte Pound ist nicht mehr der ehrfurchtlose Katalysator jenes AngloLiguriens und des geliebten Rapallo, von dem sein bekanntester Kenner und Übersetzer Massimo Bacigalupo bis in die unbekanntesten Details die kosmopolitische Atmosphäre und die namhaften Gäste (Hemingway, Yeats, Zukovsky…) der 1920er- und 1930-er Jahre beschreiben wird.Der letzte Pound ist der vermantelte Geist, „der Schatten des Dichters“, den die Genueser Fotografin Lisetta Carmi 1966 bei der Eingangstür in Sant’Ambrogio degli Zoagli einige Minuten lang aufhalten kann, um jene zwölf Schwarz-Weiß-Portraits zu kreieren, die Siegfried de Rachewiltz um 19.00 Uhr vorstellen wird und die in der Akademie Meran von Samstag bis zum 25. November ausgestellt werden. „Pound war bewusst, dass man ihn nicht verstanden hatte. Der Fehler lag nicht so sehr im Werk, sondern darin, es nicht vermocht zu haben, sich verstehen zu lassen. Er schaffte es nicht, mit den Menschen so zu sprechen, wie er wollte“, sagt Mary de Rachewiltz im gerade für den Mondadori-Verlag erschienenen Buch ‚Ho cercato di scrivere paradiso. Ezra Pound nelle parole della figlia‘ des Dichters und Schriftstellers Alessandro Rivali, der am Samstagnachmittag um 17.30 Uhr anwesend sein wird und mit ihr die Etappen seiner persönlichen Reise durch die Gänge der Brunnenburg rückverfolgen wird. Geleitet wird er vom Faden eines Gesprächs mit der Prinzessin, das neun Jahre Treffen und Revisionen bis zur Entstehung eines Interviews, das in Wahrheit eine autobiographisches Geständnis und eine in erster Person erzählte Biographie ist, noch immer und ständig im Versuch, die vielen Gründe des Menschen und des Dichters zu begreifen.