28.–29.04.2023 Zwischen Sommerfrische und Klimawandel

Im Rahmen der Tagung findet auch eine Posterpräsentation von Studierenden der Universität Innsbruck statt, die an einem Seminar aus Österreichischer Geschichte zum Thema – Österreich und seine Identität – Tourismus und Sportgeschichte teilgenommen haben.


Freizeit und Tourismus sind Begriffe, die beim Thema Klimawandel eine große Rolle spielen. Sie haben sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Europa etabliert. Hinter ihnen verbirgt sich eine gesellschaftliche Veränderung, die stärker als andere Raumwirksamkeit zeigt und die Alpine Kulturlandschaft markant prägte.

Waren es am Beginn die küstennahen Seebäder, die zunächst noch weitgehend exklusiv vom Adel aufgesucht wurden, verbreiterte sich die gesellschaftliche Basis dieses Phänomens ab den 1850er Jahren durch das ‚Hereindrängen‘ einer neuen, zahlenmäßig wie ökonomisch bedeutenden Gruppe: das Bürgertum. Auch der Zielraum sollte sich erweitern. Nunmehr stand – neben den traditionellen Küstenorten – auch das Gebirge, die Alpen im Vordergrund der Sehnsucht nach Abwechslung und Erholung. Die sich zeitgleich verbessernde Infrastruktur, etwa durch den Eisenbahnbau, bedingte einen stetigen Zuwachs der Nachfrage nach neuen Destinationen und Angeboten im Alpenraum. Die Sommerfrische verzeichnete Jahr für Jahr eine merkliche Erweiterung, die allerdings mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht nur einen vorübergehenden Dämpfer erfahren musste, sondern in der Folge auch eine strukturelle Veränderung. In die Sommerfrische drängte nunmehr vermehrt, wenngleich in einem bescheideneren Ausmaß, auch die Arbeiterschaft. Staatlich gelenkte und fallweise ideologisch verbrämte Versuche, die Freizeitgestaltung der Massen in kontrollierte Bahnen zu bewegen dominierten die 1930er und 1940er Jahre. Das gilt für den deutschen wie italienischen Raum ebenso wie für die Sowjetunion und umfasst damit ein breites politisches Spektrum. Nach 1945 begann mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung für den Alpinen Tourismus eine neue Ära. Mehr Menschen drängten in die Bergwelten und das Angebot in seiner Breite wie Tiefe wuchs geradezu unaufhaltsam an. Schließlich verschob sich seit den 1970er Jahren die ökonomische Gewichtung von Sommer- auf den Wintertourismus. Seit der Jahrtausendwende unterliegen diese Konzepte hingegen einem allmählichen Umdenken und kritischen Hinterfragen.

Die Alpen und vergleichbare alpine Räume wie etwa die Karpaten blicken mittlerweile auf eine fast 200jährige Tradition und Erfahrung im bzw. mit dem Tourismus zurück. Mit dem zunehmend auch ins breite gesellschaftliche Bewusstsein eindringenden Klimawandel, der alljährlichen Frage nach Schneesicherheit in den Skigebieten aber auch den enormen Kosten für die Infrastruktur – was zu einem großen Teil den Wintertourismus betrifft – und der an seine Grenzen stoßenden Belastung von Gesellschaft wie Kulturlandschaft in den Destinationen hat in den letzten Jahren dieses Umdenken bestimmt; ein Umdenken, das sowohl von den Bereisten als auch den Reisenden ausgeht.

Die Möglichkeit weiter Teiler unserer Gesellschaft, überhaupt über Freizeit zu verfügen, sich diese leisten zu können, äußerte sich in der Vergangenheit über Phänomene wie die ‚Sommerfrische‘, den ‚Massentourismus‘ bis hin zu verschiedenen Konzepten des ‚sanften Tourismus‘. Dieser Bogen beschreibt zugleich eine ungemeine Entwicklungsdynamik des Tourismus als gesamtgesellschaftlichem Phänomen und seiner engen Wechselwirkung mit dem Raum. Grund genug, sich damit aus unterschiedlichen zeitlichen wie räumlichen Perspektiven auseinanderzusetzen, um Ansatzpunkte für eine breite Diskussion zu liefern.